Ausgestellt werden die Fotografien von Sibylle Bergemann für das Deutsche Theater. Der SPRECHSAAL freut sich sehr darüber, diese Farbfotografien zum ersten Mal in Deutschland zu präsentieren. Ebenso zeigen wir die Programmhefte, Dokumentationen und Plakate, die von Grischa Meyer für die Inszenierung des LOHNDRÜCKERs und der HAMET/MASCHINE entworfen wurden.Anläßlich der Fotografien und Materialen findet ein ausführliches Programm, bestehend aus Diskussionen, Vorträgen, Interviews, Filmvorführungen und Hörspielen, statt.
Eingeladen von Heiner Müller, bestand die Aufgabe der Fotografin zunächst in der Aufzeichnung des Bühnengeschehens und des Probenprozesses des Stücks DER LOHNDRÜCKER, das der Autor selbst inszenierte und zu der eine Dokumentation im Stil jener Modellbücher angefertigt wurde, wie sie Brecht von seinen Inszenierungen herstellen ließ.So wie sich Heiner Müller als Regisseur auf der legendären Bühne des Deutschen Theaters der Aura des Brecht’schen Theaters, dessen erste und von vielen als die wichtigsten angesehenen Produktionen hier – und nicht am Schiffbauerdamm – zur Aufführung kamen, nur schwer entziehen konnte, stand die fotografische Arbeit von Sibylle Bergemann zunächst ganz in der Tradition der Theaterfotografie, wie sie bei Brecht durch Fotografen wie Josef Breitenbach, Ruth Berlau, Hainer Hill und Vera Tenschert geprägt wurde.Das äußerte sich durch die konsequente Wahl eines fixierten Kamerastandpunktes und der ausgiebigen Beobachtung des Probenablaufs als Vorbereitung für die Aufnahmen, die hauptsächlich bei den Komplettproben, – also mit fertigem Bühnenbild und Licht, Kostümen und Maske – gemacht wurden.
Aber die Unterschiede und Besonderheiten der Arbeit Sibylle Bergemanns traten schnell zu tage.Im Gegensatz zu Brechts Arbeit mit Fotografen wurden einzelne Szenen nicht unter der Anleitung eines Dramaturgen, der die wichtigen »Drehpunkte« der Inszenierung kannte, vom ersten Rang aus während der fünften oder sechsten Vorstellung aus einem schallisolierten Kasten in der Mittelloge fotografiert, um das Bühnengeschehen für ein »Modellbuch« auf ewig zu fixieren und dabei den Ablauf der Vorstellung nicht zu stören.Sibylle Bergemann stellte bei vielen Bühnenproben ihr Stativ in die Mitte der fünften Reihe im Parkett. Sie brauchte einen kleinen Koffer als Fußbank und eine Unmenge Kleinbildfarbfilme, die lichtempfindlicher waren als die in der DDR handelsüblichen und von dem österreichischen Bühnenbildner Erich Wonder regelmäßig eingeschmuggelt wurden.Der Rest war selbständiges Arbeiten.Müller vertraute der Begabung und dem Einfühlungsvermögen der Fotografin und war während des Arbeitsprozesses nicht sonderlich an den Ergebnissen ihrer Arbeit interessiert. Sibylle Bergemann bewegte sich so vorsichtig und lautlos im Theater, das unbemerkt blieb, wenn sie nicht neben ihrem Stativ saß sondern im Bühnenhaus oder Zuschauerraum mit der Kamera unterwegs war. Bei vielen Aufnahmen, die sie später zeigte, waren die Abgebildeten erstaunt: sie hatten die Fotografin nicht wahrgenommen, als das Bild entstand.
Deshalb sind die Theaterfotos von Sibylle Bergemann in erster Linie nicht jene routinierten Dienstleistungen, die ein Theater für Werbezwecke, und der Regisseur für die Verbesserung seiner Arbeit abfordert, sondern in hohem Maße eigenständige Arbeiten, in der sich die Intension der Inszenierung mit der unverwechselbaren Sicht der Fotografin auf ein Kunstwerk verbindet, an dessen Zustandekommen sie als Beobachter teilgenommen hatte.
Sie sind herzlich eingeladen!